Die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene Sylvia Stiersdorfer (links), die Bayreuther Landtagsabgeordnete Gudrun Brendel-Fischer und Manfred Kees von der Sudentendeutschen Landsmannschaft.
Foto: Stephan Herbert Fuchs
75 Jahre Flucht und Vertreibung: Sudentendeutsche in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Bayreuth
30.01.2020
Die Vermittlung von Kultur, Geschichte und Tradition der Vertriebenen an die nächste Generation wird für alle Betroffenen eine riesengroße Aufgabe darstellen. "Es gibt noch viel zu tun", sagte die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertrieben, die Regensburger Landtagsabgeordnete Sylvia Stiersdorfer (CSU) bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Sudentendeutschen Landsmannschaft und des Evangelischen Bildungswerks Oberfranken Mitte. Hintergrund sind die beiden Jubiläen "75 Jahre Flucht und Vertreibung" sowie 70 Jahre Charta der Vertriebenen.
Die Charta sei der eigentliche Grundstein für Europa gewesen, sagte Stiersdorfer, die von ihrer Bayreuther Landtagskollegin Gudrun Brendel-Fischer zu dem Treffen eingeladen wurde. Besonders in Bayern sei es von großer Bedeutung, das kulturelle Erbe der Vertriebenen zu erhalten und zu pflegen, denn im Freistaat sei der Großteil alles Sudentendeutschen angekommen. Nun müsse es aber darum gehen, der jungen Generation zu vermitteln, wie wichtig Freiheit und Frieden sind und welch großer Gewinn die damalige Aufnahme der Vertriebenen für den wirtschaftlichen Aufbau, aber auch für Architektur, Kultur und für die gesamte Gesellschaft waren. Für die Enkelgeneration sei das Miteinander heute selbstverständlich. Deshalb sollte das Thema vor allem im Unterricht mehr Beachtung finden.
Neben zahlreichen Schulprojekten, die es bereits gibt, sieht die Vertriebenenbeauftragte auch Erfolge darin, dass heuer zum Jubiläum eine große Sonderausstellung im Haus der Bayerischen Geschichte stattfindet und dass die als Begegnungsveranstaltung titulierte Landesversammlung der Sudentendeutschen Landevereinigung erstmals auf tschechischem Boden in Franzensbad stattfinde.
"Wir kommen aus der Vergangenheit, leben in der Gegenwart und wollen in die Zukunft", sagte Manfred Kees von der Bayreuther Ortsgruppe der Sudentendeutschen Landsmannschaft. Rückwärtsgewandtes oder revanchistisches Denken seien völlig fehl am Platz. "Wir wollen aber auch nicht aus der Geschichte verdrängt werden", so Kees. Die Vertriebenen seien damals in Bayern gut aufgenommen worden und gut angekommen. Aus guten und fruchtbaren Auseinandersetzungen mit der Politik seien immer wieder gute Lösungen entstanden. Kees rief alle Mitglieder dazu auf, ihre Wurzeln nicht zu vergessen und Europa nicht aufzugeben, auch wenn gerade derzeit immer wieder Bedenken bestehen.
Die Sudentendeutschen könnten unheimlich viel tun für Europa, so der Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks Jürgen Wolff. "Seien sie Brückenbauer", rief er ihnen zu und sah einen großen Gewinn für die Gesellschaft; wenn Traditionen aufrechterhalten, gepflegt und weitergegeben würden.
Von einer beeindruckenden und nahezu unglaublichen Integrationsleistung von beiden Seiten sprach der frühere Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl. Davon könne man sehr viel lernen, so Hohl. Er bezeichnete die große Gruppe der Vertriebenen als Gründerväter des vereinten Europa, einer Konstruktion, die gerade in diesen Tagen sehr fragil sei. Umso aktueller denn je sei es, das Wissen und die Botschaften der Vertriebenen am Leben zu erhalten.