Intelligente Klärschlammbeseitigung in der TCR-Anlage – Virtuelle Besichtigung der Fraunhofer-Anlage
Bayreuth/Hohenburg
14.12.2020
Es ist ein völlig neuartiger Ansatz zur Verwertung von Klärschlamm. In der TCR-Anlage des Fraunhofer Instituts UMSICHT in Hohenburg (Landkreis Amberg/Sulzbach) wird aus getrocknetem Klärschlamm hochwertiges Bio-Öl, Synthesegas und Bio-Kohle gewonnen. Das Öl ist zum Einsatz in Motoren geeignet, aus dem Synthesegas kann Wasserstoff gewonnen werden. Da die Biokohle keinen Teer mehr enthält, kann sie im Holzvergaser verwertet werden.
Auf Initiative der Landtagsabgeordneten Gudrun Brendel-Fischer, des stellvertretenden Landrats Klaus Bauer und des Obermeisters der Elektro-Innung Bernd Zeilmann von der Firma Richter Steuerungstechnik aus dem Ahorntal hatte eine Delegation von Bürgermeistern und Gemeinderäten aus dem Landkreis Bayreuth jetzt die Möglichkeit, die TCR-Anlage in Hohenburg virtuell zu besichtigen und mit den Verantwortlichen zu diskutieren.
Das patentierte TCR-Verfahren (Thermo Catalytic Reforming) wandle biogene Einsatzstoffe in Öl, Synthese-Gas und Karbonisat, so Robert Daschner, Abteilungsleiter Energie von Fraunhofer Umsicht (Institut für Umwelt-, Energie- und Sicherheitstechnik). In einer ersten Stufe werde die Biomasse in einem kontinuierlich arbeitenden Schneckenreaktor unter Sauerstoffabschluss bei mittleren Temperaturen bis zu 450 Grad Celsius schonend in Biokohle und flüchtige Bestandteile zerlegt. In einem Post-Reformer würden die Dämpfe bei Temperaturen von bis zu 700 Grad Celsius in einer zweiten Stufe katalytisch weiter veredelt, um die Gasausbeute und die Produktqualität zu verbessern. Anschließend werden die Dämpfe abgekühlt. Bei der Kondensation werden Öl und Prozesswasser getrennt und das verbleibende Gas gereinigt.
Mit der TCR-Technologie lasse sich ein breites Spektrum biogener Rest- und Abfallstoffe in speicherbare Energieträger umwandeln. Diese Produkte seien die Ausgangsbasis für zum Beispiel synthetische Kraftstoffe der nächsten Generation. Das CO2-neutrale Öl aus dem Fraunhofer TCR-Prozess könne zu normgerechten Kraftstoffen aufbereitet werden. Das Verfahren funktioniere dabei nicht nur mit getrocknetem Klärschlamm, sondern auch mit anderen Reststoffen etwa aus der Papierproduktion, aus Brauprozessen oder Biogasanlagen. Technisch durchaus möglich sei auch die Verwertung von Grüngut oder bei entsprechender Trocknung und Pelletierung auch von Laub.
Das am Ende gewonnene Öl müsse natürlich aufbereitet werden. „In der Bilanz erzeugen wir annähernd klimaneutralen Kraftstoff“, sagte Daschner, der lieber von Grünem Kraftstoff, statt von Biodiesel oder Biobenzin spricht. Entsprechende Forschungsarbeiten im Labormaßstab seien bereits 2013 gestartet worden, berichtete Frederic Betsch von Fraunhofer. Die Hohenburger Anlage, die derzeit auf einem ehemaligen Militärgeländer aufgebaut und von der EU gefördert wird, soll einen Durchsatz von 500 Kilogramm pro Stunde haben. Das entspricht 3000 Tonnen im Jahr, in etwa dem Klärschlamm von 100000 Einwohnern. Von der Anlage gingen keine direkten Emissionen aus, ein wirtschaftlicher Betrieb sei möglich und der Personalaufwand halte sich in Grenzen, beziehungsweise sei mit dem einer Biogasanlage vergleichbar.
Von einer überaus innovativen Geschichte mit guten Chancen zur Realisierung sprach die Abgeordnete Brendel-Fischer. Das Verfahren entspreche allen Grundsätzen der Nachhaltigkeit und sei auch aus landwirtschaftlicher Sicht interessant. Der Markt für die Endverwertung für Klärschlamm sei sehr dünn, so Klaus Bauer. Inzwischen sei aber wieder Bewegung in den Markt gekommen. Sicher sei es, dass die Ausbreitung auf landwirtschaftlichen Flächen über kurz oder lang vorbei ist. Sicher sei auch, dass sich mehrere Gemeinden zu größeren Einheiten zusammenschließen müssen. Der Vizelandrat bezeichnete das Verfahren als durchaus zukunftsfähig.
Ziel sollte es sein, wissenschaftliche Erkenntnisse möglichst schnell in die Praxis umzusetzen, so Bernd Zeilmann. Dies sei auch dringend notwendig, denn der meiste Klärschlamm werde derzeit ja noch in Kohlekraftwerken verbrannt, deren Abschaltung aber bereits fest stehe. Als Dünger werde der Klärschlamm aufgrund bedenklicher Inhaltsstoffe ohnehin nicht mehr zugelassen. Zeilmann sah das Verfahren auch als Beispiel, um Wertschöpfung vor Ort zu generieren, damit Arbeitsplätze zu erhalten und den Wohlstand in der Region zu sichern.